Young Europeans Participate

Posted in Venezuela on 23/10/2013 by janderkran

Young Europeans Participate

Meine Verarbeitung der Erlebnisse auf dem Youth Congress 2013 letztes Wochenende.

Visuelle Eindrücke aus Genfer Nähe

Posted in VisualResiduals on 21/10/2012 by janderkran

Venezuela – der Sozialismus des 21. Jahrhunderts?!

Posted in Venezuela on 20/12/2011 by janderkran

Politischer Stammtisch im Dresdner Kulturrathaus

Warum hat der venezolanische Präsident Hugo Chávez eine eigene Fernsehsendung? Warum ist Benzin in Venezuela billiger als Trinkwasser? Wie äußert der gemeine Venezolaner seine politische Teilhabe?

Diese und weitere Fragen sollen am Dienstag, dem 17. Januar 2012, ab 19 Uhr im Dresdner Kulturrathaus (Königsstraße 15; Kunstfoyer) versuchsweise beantwortet werden. Die Informationsveranstaltung bezüglich der aktuellen politischen und gesellschaftlichen Situation in Venezuela wird gemeinsam von der Amnesty International-Hochschulgruppe Dresden und vom Politischen Jugendring Dresden e.V. organisiert.

Venezuela wird von vielen als neue Hoffnung linker Ideen und als Gegenpol zur Hegemonie der USA gefeiert. Im Mainstream der westlichen Medien wird die Regierung jedoch insbesondere für ihre Menschenrechtspolitik angegriffen. In der Veranstaltung möchten wir die aktuelle politische Situation in Venezuela darstellen, mit Augenmerk auf Fragen der Menschenrechte und des „Sozialismus des 21. Jahrhunderts“. 

Themen sind dabei einerseits aktuelle politische Auseinandersetzungen, etwa um das Ermächtigungsgesetz, den Hungerstreik als politische Waffe, die Verstaatlichung von Plantagen und Unternehmen sowie die Kriminalitätsentwicklung. Außerdem sollen die institutionellen und sozialpolitischen Veränderungen, etwa die Strukturen der kommunalen Selbstverwaltung und die Wohnungs- und Gesundheitsversorgung im Rahmen des angestrebten sozialistischen Umbau des Landes diskutiert werden.

Wie läuft es in diesem „neuen“ Venezuela, in dem die Kindersterblichkeit stark verringert und die StudentInnenquote erhöht wurden, an Feiertagen die öffentlichen Verkehrsmittel kostenlos benutzt werden dürfen und kubanische Ärzte sich um die medizinische Grundversorgung im Land kümmern? 

Der Abend startet mit einem Erfahrungsbericht von Jan Liebnitzky, einem Mitglied der Amnesty International-Hochschulgruppe, der im Sommersemester 2011 an der Universidad Central de Venezuela in Caracas studiert hat. Im Anschluss wird Malte Daniljuk über den politischen Transformationsprozess in Venezuela informieren. Er ist Referent für internationale Politik und soziale Bewegungen in der Rosa-Luxemburg-Stiftung.

Nimm bei dieser Veranstaltung schonmal bei Facebook teil!

Weitere Informationen unter:

http://www.tu-dresden.de/amnesty/

http://www.pjr-dresden.de


Blog-Schluss

Posted in Venezuela on 05/06/2011 by janderkran

Liebe BlogLeserInnen,

ich hoffe, dass ich ungefähr einen Eindruck von Venezuela und den politischen, sozialen, und ökonomischen Umständen hier vermitteln konnte. Tagtäglich gehen hier die Demonstrationen und Streiks weiter: Die Unis fordern mehr Geld, die Krankenhäuser rufen landesweite Generalstreiks aus  –  auch für mehr Geld. Die Nahrungsmittelabhängigkeit vom Ausland lässt nicht nach, Inflation existiert noch genauso wie Polizeigewalt und Korruption, täglich werden Menschen Opfer von Gewalt, ich brauche manchmal 1,5 Stunden zur Uni wegen des vielen Staus und gerade wurden wieder ein paar Parkhäuser hier in Caracas enteignet um dort Wohnungen zu bauen. Die Familien des Parkhauses in dem ich vor zwei Wochen zu Besuch war, sind vorgestern eine Hauptstraße blockieren gegangen, um für bessere Wohnbedingungen zu kämpfen und gut ausgebildete Venezolaner verlassen wegen der Kriminalität, der politischen Situation und das Fehlen von gut bezahlten Jobs das Land. Gefängnismitarbeiter trauen sich aus Angst vor einem Kidnapping nicht an ihren Arbeitsplatz, die Straßen nach Kolumbien sind überschwemmt mit Schlamm und der hohe Erdölpreis bewahrt das Land vor dem wirtschaftlichen Ruin. Diese Nachrichten lese ich selbst kaum noch und übertünchen alles was man als „Verbesserung“ (es gibt auch hier viel zu meckern :)) durch den Präsidenten Chávez bezeichnen könnte: Gesundheitsprogramme für die Menschen in den Barrios, neue Universitäten und ein gerechterer Zugang, Subventionen für Grundnahrungsmittel, Alfabetisierungsprogramme etc…

Ich habe ziemlich viel Negatives berichtet (zumindest was Politik anbelangt) und kaum Kontakt gehabt zur „anderen Meinung“, um mir das Blaue vom Himmel erklären zu lassen. Das sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass Venezuela ein zauberhaftes Land ist. Die Menschen sind unglaublich aufgeschlossen und nett, ohne Probleme findet man als Ausländer nach wenigen Wochen fröhlichen Kontakt. Es gibt verschiedenste indigene Kulturen. Die Landschaften hier sind atemberaubend, mit verschiedensten Vegetationszonen und alle Höhenlagen ausgestattet. Die Tepuy sind Tafelberge von ungefähr 1000 m Höhe, mitten im Urwald gelegen, sind es die ältesten Gesteinsformationen auf der Erde. Es gibt tausende Traumstrände und Salsa, leckeren Rum und Früchte die ich noch nie gesehen habe… in diesem Sinne verabschiede ich mich,

euer Jan

Petare

Posted in Venezuela on 02/06/2011 by janderkran

Petare ist das größte Barrio (Slum) in ganz Lateinamerika. Mit über 700.000 Einwohner ist es größer als die Favelas in Rio de Janeiro. Ca. 2000 Subbarrios existieren in Petare. Die Kriminalität ist unglaublich hoch. Wie auf dem ersten Foto zusehen, erstreckt sich das Barrio einmal um einen großen Berg herum und liegt im Osten von Caracas. Dabei wächst es nach oben hin weiter, ohne Plan. Um so weiter oben man sich befindet, so ärmer sind die Leute meistens auch. Weiter unten bekommen die Häuser Farbe. Grundsätzlich werden auch die Häuser etagenweise erhöht, um Wohnraum zu schaffen und immer weiter verbessert – je nachdem wie Geld vorhanden, gibts auch Putz. Zum Anfang des 19. Jahrhundert haben nur ungefähr 20 % der venezolanischen Bevölkerung in Städten gelebt. Mittlerweile sind es rund 95 %.

In einem von den Subbarrios habe ich unlängst eine öffentliche Bibliothek und eine Vorschule besucht. Die Kinder in dieser Schule waren wesentlich zugänglicher und ruhiger als in der Albergue von letzter Woche. In der Vorschule gibt es volle Verpflegung und Spielsachen und Unterricht. Die Bibliothek hat eine große Kinderabteilung, aber auch wissenschaftliche Bücher und Lexika.

Starke Symbolik für eine polarisierte Gesellschaft

Posted in Venezuela on 30/05/2011 by janderkran

Hier gibt es eigentlich nur Schwarz und Weiß. Entweder Chavista oder Opposition, wobei letztere v.A. die Mittelschicht umfasst, und der ärmere Teil der Bevölkerung eher Chávez zunickt. Spreche ich mit meiner Gastmama über die Tagespolitik, und probiere Argumente für die Politik von Chávez zu finden, werde ich gefragt ob ich Chavista bin. Die Zeitungen sind leicht den beiden Seiten zuzuordnen. Liest man ein Oppositionsblatt, könnte man depressiv werden aufgrund der Schlechtigkeit aller Dinge. In den Pro-Regierungsmedien strahlt hingegen alles Rosa.

Die sozialistische Symbolik gibt es überall. Schlagkräftige Slogans und grelles Rot omnipresent im öffentlichen Raum. Nach dem Motto: Du bist Sozialismus!… wird man von allen Seiten visuell bedrängt… mit Hiobsbotschaften über die neusten Errungenschaften, Wachstum der verstaatlichten Konzerne, Che und Simon Bolivar als Graffitti, das gerade seit 12 Jahren Revolution ist…

Hollywoodstyle: Aragua Socialista

Wir werden Siegen! Im Sozialismus machst Du die großen Taten!

Links: Die, die das Vaterland wollen, kommen mit mir! Rechts: Ohne Gerechtigkeit gibt es keine Revolution!

Mehr Energie für das Volk! Bis 2014 2160 MW ...; auf der linken Seite der neuste Energiespartipp

Im Parkhaus

Posted in Venezuela on 22/05/2011 by janderkran

Jeder Student muss während seines Studiums einen Sozialdienst leisten. Das sind ungefähr 80 Stunden zumindest für Psychologiestudierende. Es gibt verschiedene Einsatzmöglichkeiten, z.B. in einem Gefängnis oder in den Notunterkünften, wo Menschen wohnen, die ihr Heim verloren haben. In einem von diesen Notunterkünften konnte ich mich letzte Woche mal umgucken. In dem Parkhaus neben einem enteigneten Einkaufscenter wohnen 2800 Menschen (v.A. Familien). Das sind mehr Menschen, als Autos hineinpassen! Dabei ist wohnen vielleicht übertrieben, schließlich besteht die Wohnfläche aus Doppelstockbetten. Die Privatsphäre ist mit Laken notdürftig abgedeckt. Da natürlich auch viele Kinder unter den Wohnungslosen sind, gibt es im ersten Erdgeschoss eine Schule mit (neben der Einfahrt des Parkhauses) Klassenräumen. Wir (Mitarbeiter des Instituts für Psychologie und einige Studenten) durften für ca. 2 Stunden die Kinder der verschiedenen Klassenstufen betreuen. Mich erwischte dabei die 2. Klasse. Leider war ein Unterricht, eigentlich sollte es eine Art Workshop zu Thema Normen sein, nicht möglich. Weil genau die Normen und Regeln des sozialen Miteinanders, welche ich näherbringen wollte pausenlos verletzt wurden. Ständig musste ich sich prügelnde Kinder auseinanderhalten. Ruhe gab es nicht und am Schluss standen an der Tafel 5 Normen, aber lesen konnten noch nicht alle Schüler… Bedauerlicherweise war das in den anderen Klassenstufen nicht anders, die Gewalt ersetzt die verbale Kommunikation. Die Aggressivität kommt von der Enge. Das kann man natuerlich nicht auf alle Schüler generalisieren, aber jene, welche lernen wollen müssen sich den Umständen anpassen und damit klarkommen.

alt besser als neu besser als alt

Posted in Venezuela on 17/05/2011 by janderkran

Auf untenstehenden Bild sind die typischen Fahrkartenautomaten von der Metro in Caracas abgebildet. Es gibt dabei zwei verschiedene Arten, wobei die Neueren überhaupt nicht funktionieren (links). Rund 140 Stück gibt es von den „Neuen“ in allen Bahnhöfen der Stadt mit berührungsempfindlichen Mensch-Maschinen-Interface. Für insgesamt rund 50 Millionen Dollar wurden sie 2008 gekauft und installiert. Diese Automaten sollten allgemeingültige „intelligente“ Tickets ausspucken (1). Nur passt dieses „neue“ System nicht zum bereits Vorhandenen. Die vorhandene Realität sind kleine, gelbe Pappblättchen mit Magnetstreifen und an höchstens einem der „alten“ Automaten (rechts auf dem Bild, rot=funktioniert nicht) mit passenden Münzen zu kaufen. Zur Not gibt es immer noch ein Fahrkartenhäusschen mit langer Schlange oder man hat Glück und es ist irgendein sozialistischer Feiertag, dann muss man nämlich gar kein Ticket kaufen.

Für die kommende Präsidentenwahl in 2012 wird ein vollautomatisches Stimmenauszähl- und Registriersystem für insgesamt mehr als 100 Millionen $ gekauft (ein Teil davon wird jetzt schon für den Zensus der Mision Vivienda benutzt). Die Opposition fürchtet einfacheren Wahlbetrug und wettert gegen diese verschleuderten Ausgaben.

Para Vivir Viviendo!

Posted in Venezuela on 13/05/2011 by janderkran

„Vom Samstag den 7. Mai an, für einen ganzen Monat, kannst du dich registrieren in der Großen Mision Vivienda. Vivir Viviendo [Lebend Wohnen]!“ So lautet die SMS die ich diese Woche von der Regierung hier bekommen habe. Ich kann  mich  also auch für mich ein neues Domizil registrieren lassen, in einen der 243 dazu aufgebauten überdachten Stände in Caracas (siehe Foto). (Angeblich ist das schon die 6. Zählung seit 1999)

Heute ist es eher ruhig, keine lange Schlange

Man braucht dazu nur ein paar Formalitäten auszufüllen und Papiere mitzubringen. Diese Zählung ist der erste Teil des neu gestarteten Regierungsprogramms von Chávez, um erstmal zu wissen wie viel neue Wohnungen überhaupt gebaut werden müssen. Danach soll es dann ans Werk gehen (Punkt 2=Platz für Wohnungen suchen, P3=Firmen die Wohnungen bauen, organisieren, P4=Finanzierung, P5= Material heranschaffen) (2). Schon 271.000 Familien haben sich angemeldet (1). Ich hatte bereits über den Wohnungsmangel berichtet. Aus der Not eine Tugend, mit dem neuen Programm wird auch Wahlkampf betrieben, denn 2012 ist Urnengang, und Chávez Sieg mehr als ungewiss. Versprochen werden noch dieses Jahr 150.000 neue Wohnungen, insgesamt sollen es 2 Millionen in den nächsten 7 Jahren sein (2). Dabei hat Chávez in den letzten 12 Jahren nicht geschafft annähernd genügend Wohnraum zur Verfügung zu stellen (insgesamt 284.328 Häuser), sondern eher Hotels und Parkhäuser enteignet und provisorisch zum Wohnen umgebaut.

-Ich gehe mich jetzt erstmal registrieren lassen 🙂 in diesem Sinne oder dem Ikeas, bzw. mit Chávez Worten: „Vivienda, vivienda y más vivienda para vivir viviendo en la vivienda“ (Vivienda = Wohnraum, más=mehr, der Rest ist oben übersetzt)

Menschenrechte und Polizeigewalt

Posted in Venezuela on 08/05/2011 by janderkran

Das Vertrauen in die hiesige Polizei ist gleich Null. Wird man von der Polizei im Auto angehalten, dann ist das wahrscheinlich der 15. oder der 1. Tag im Monat – die Leute haben Geld im Portemonnaie. Die Polizei ist hochgradig korrupt und begleitet einen sogar zum Bankautomaten, sollte man einmal nicht das nötige Kleingeld dabeihaben um sein fehlenden Ausweis oder illegales Marihuana in der Tasche zu revanchieren. Schlimm ist aber v.A. die Gewalt die von vielen Polizisten ausgeht. So wurde letzte Woche Lorent Saleh ein Führer einer Jugendorganisation bei einer Demonstration verprügelt danach gefangengenommen für ein paar Tage. Außerdem wurde ihm verboten sich dem Ort der Demonstration zu nähern. Ihm wurde somit das Recht aberkannt friedlich zu protestieren. In der Demonstration setzte sich die Jugendorganisation für einen politischen Gefangenen ein, gegen welchen seit 5 Jahren von Staatsseite gerichtlich vorgegangen wird (1,2).

Aber Polizisten sind natürlich auch mit der Verbrechensbekämpfung beschäftigt. Durch sie kommen viele Menschen um – Malandros  (Verbrecher) und auch viele, die für welche gehalten werden bzw. nachträglich dazu gemacht. Die Menschenrechtsorganisation Red de Apoyo por la Justicia y la Paz nimmt sich den Opfern von Polizeigewalt an. Das können Menschen sein, die misshandelt wurden, aber v. A. sind es Mütter aus den Barrios, die ihren Sohn verloren haben und Hilfe suchen und ihren Fall von Psychologen, Ärzten und Juristen betreut wissen wollen. Dabei wird selten ein Fall wirklich vor Gericht gebracht und der angeklagte Polizist für sein Verbrechen bestraft. Dafür mahlen die Mühlen der Justiz hier zu langsam. Aber es gibt einen anderen Weg für die Opfer eine Art „Justiz“ zu erreichen. Die Organisation macht mit den Müttern z.B. ein Art Schreibwerkstatt. Da finden sich diese unter Anleitung zusammen und schreiben über ihr Leben und Umstände des Todes ihrer Söhne etc.. Ihr Leid und Schmerz wird in die Geschichten projiziert. Am Ende werden die Geschichten in einem manchmal sehr traurig zu lesenden Buch publiziert. Die Mütter erlangen damit vielleicht keine Genugtuung oder Rache, weil der mordende Polizist ja immer noch draußen herumrennt, aber mit dem Tod und dem anderen, neuen Leben besser umzugehen (3).

Devisen in Venezuela

Posted in Venezuela on 05/05/2011 by janderkran

Seit 2003 gibt es eine Währungskontrolle in Venezuela. Der gemeine Venezolaner kann nicht nach belieben sein Geld in andere Währungen umtauschen. Und auch als Tourist in Venezuela ist man an feste Wechselkurse gebunden, ein Dollar ist in Venezuela 4,3 BsF in allen öffentlichen Umtauscheinrichtungen wert. Wegen der starken Inflation liegt der Schwarzmarktkurs derzeit bei 9,23 BsF per Dollar. Das lohnt sich für den Touristen, für den Venezolaner nicht. Trotzdem wird man seine Dollar unter jedem Ladentisch los. Warum?

Dazu muss man wissen, wie man als venezolanischer Staatsbürger an echte Dollar kommt, wenn man ins Ausland reisen will, woanders studieren, oder bei Amazon einkaufen… denn der Bolivar wird nirgends in Deutschland oder in anderen Wechselstuben getauscht, er hat nur in Venezuela Wert.

Es gibt dazu zwei staatliche Einrichtungen, die ältere CADIVI und die neuere SITME. Wenn man ein Konto im Ausland hat, bzw. eine Kreditkarte, eine Steuernummer, eine eidliche Erklärung, dass man die neuen Dollar ordentlich verwendet, Kopie des Ausweises und noch ein paar Sachen mehr zusammenbringt, dann: kann man für Auslandsreisen bis zu 5000 $ jährlich eintauschen, für ein Auslandsstudium 5000 $ jährlich. Firmen die hier in Venezuela arbeiten, können bis zu 300.000 $ jährlich eintauschen (2). Das alles zu einem Kurs von 4,30 BsF für einen Dollar bzw. beim SITME sind es 5,30 BsF. Durch dieses System wird die Kapitalflucht eingedämmt. Das System ist so gedacht, dass manche Menschen Dollars in Bolivar eintauschen und manche Menschen umgekehrt. Es also eine Art Gleichgewicht gibt. Nur ist die Nachfrage nach Dollar viel größer als das Angebot. Daher muss die Regierung, mit den Petrodollars (das sind die Dollareinnahmen durch den Erdölexport) kräftig aushelfen. 42 Millionen $ wurden so im Schnitt pro Tag im letzten Jahr eingetauscht. Dieses Jahr wurde der Umtausch um 26 % zurückgefahren (El Universal, 2.5.2011 – Oferta de dolares en SITME se redujo). Es ist also in der Tat nicht so, dass man immer wenn man will diese besagten 5000 $ eintauschen kann. Darunter leidet nicht nur der Venezolaner, der morgen in den Urlaub fahren möchte, sondern v.A. internationale Firmen, die ihre Erlöse hier zu Geld, also Dollar machen möchten.

Für den Tausch von Dollar auf dem Schwarzmarkt gibt es hohe Geldstrafe und auch Haft. Über die Gefängnisse hatte ich schon berichtet, ein kleiner Zwischenstand: seit einer Woche sind im Gefängnis El Rodeo II 21 Mitarbeiter als Geisel genommen worden. Es sollen bessere Haftbedingungen erzwungen werden (3).

Mission Barrio Adentro

Posted in Venezuela on 02/05/2011 by janderkran

Die medizinische Grundversorgung in Venezuela vor der Zeit Chávez‘ erreichte nur knapp 40 % der Bevölkerung. Mit der Mission Barrio Adentro (In der Nachbarschaft) sollte das geändert werden. So wurden knapp 5000 kleine Praxen (wie auf dem Bild) im ganzen Land gebaut. Erreicht werden soll v.A. die arme Bevölkerung in den Barrios. Dafür wurden tausende Kubaner ins Land gebracht, um die Menschen hier für eine bestimmte Zeit zu behandeln. Kuba bekommt dafür im Gegenzug verbilligtes Öl. Denn es hatten sich zum Anfang des Projekts 2003, nur 50 venezulanische Ärzte gemeldet, 2009 waren es immerhin schon 1200. Die Arbeit in den Barrios ist bestimmt nicht immer ganz einfach, v.A. im Angesicht der horrenden Kriminalität. 2008 sind 7 kubanische Ärzte aus Venezuela in die USA geflüchtet: sie sprachen von „moderner Sklaverei“ die hier herrsche (3).

Über den Erfolg der Mission Barrio Adentro streiten sich die Zahlen, je nach den Quellen. Zwischen 30 % und 70 % der Zielgruppe profitieren von dem Programm (1). Die Kindersterblichkeit ist laut der WHO gesunken (von 23 auf 2o männl. Kinder/1000 Geburten). Die Versorgung ist immerhin kostenfrei. Nur 70 % der Kliniken sind besetzt, manche nur ein paar Stunden am Tag. Die fachliche Kompetenz der Ärzte ist umstritten (4). Die Idee des Systems und denVerbesserungen ist nichts entgegenzusetzen.

Aber es gibt noch ein anderes Gesundheitssystem. Das, was schon vorher da war. Nämlich das Netz von Praxen, Kliniken und Hospitälern für die Mittelklasse.  Hier muss man pro Konsultation eine Pauschale von 300 BSF bezahlen. Wenn man ein Röntgenbild benötigt, oder einen speziellen Test, kann sich das schnell zu tausenden BSF summieren. Es gibt private Krankenversicherungen, aber nicht jeder hat eine. Ich habe das Gefühl, dass der nötige Arztbesuch lange rausgeschoben wird und die allgegenwärtigen Apotheken häufig frequentiert werden. Medikamente sind In und billiger, sowie weniger zeitaufwendig als ein Arztbesuch. Wenn man denn doch in Krankenhaus muss, so sind diese oft heillos überfüllt. Man sollte sich sein Verbandszeug und Spritzbesteck selbst mitbringen – es fehlt an vielen Dingen, manchmal sogar fließend Wasser (2.5.2011, El Universal). Die Gehälter des Krankenhauspersonals sind arg gering – nicht ohne Grund haben einige Krankenschwestern den ganzen April über hungergestreikt.

mehr Geld zum 1. Mai?

Posted in Venezuela on 27/04/2011 by janderkran

Cadenas (Ketten) sind Fernsehsendungen die auf allen Sendern gezeigt werden. Sie dienen zur Information der Bevölkerung. Die längste Cadena war angeblich 10 Stunden lang. Von 1999 bis 2008 gab es insgesamt 49 Tage Cadenas (3). Wollte man also gestern Nachmittag einen Film oder seine Lieblingssoap gucken, so wurde man mit einem Regierungsprogramm beglückt. Unter anderem gibt es große Gehaltserhöhungen zum 1. Mai zu berichten – wie jedes Jahr. Der Mindestlohn wird um 15% erhöht. Zum ersten September gibt es dann nochmal 10 % mehr. Ebenso wurden Gehälter von Arbeitern und auch den sich nun nicht mehr im Hungerstreik befindenden Krankenschwestern erhöht (1, 3). Nur leider halten diese Erhöhungen nicht mit der inflationären Preissteigerung mit. Im letzten Jahr stiegen die Preise um 35 % (2). Und ja das merkt man: im Februar hat der Liter Yogurt (Hecho en Socialismo) den ich jeden Morgen verspeise noch 7 BSF gekostet, heute kostet er 10 BSF. Trotzdem ist man glücklich. Mein Freund Jean freut sich darüber, dass sein Auto sein einzigster Besitz ist der an Wert gewinnt 🙂

Semana Santa in Caracas

Posted in Venezuela on 24/04/2011 by janderkran

Die Osterwoche ist Feiertag, viele Menschen fahren an den Strand zur Fiesta und Sonne – Caracas ist tristgrau und wie leergefegt. Der Alkohol für diese Tage wird vorher gehortet, weil während dieser Woche gilt das Ley Seca, welches den Verkauf von Alkohol de jure einschränkt.

Es gibt jedoch eine Ostertradition in Caracas, die sich nicht nur auf kollektives Eieressen und Party beschränkt. Letzten Freitag zum 241igsten Mal verließen die Palmeros de Chacao die Stadt in Richtung Avila, also den Gebirgszug der Caracas vom Meer trennt. Dort sammeln die Palmeros, wie der Name schon verrät Ceroxylon Klopstockia – Palmenstängel. Diese werden an die Kirchen in Caracas für die Osterprozessionen verteilt. Nur durften die Palmeros aufgrund einer Anordnung des Umweltministeriums nicht in den Bergen übernachten, wie es eigentlich Brauch ist und auch nur eine sehr beschränkte Anzahl an Palmen mitnehmen. Begründung ist der Schutz dieser Palmen (1).

Heute zum Ostersonntag fand die Verbrennung des Judas statt. Eine Puppe wird symbolisch gehängt und verbrannt. Überall in den Straßen sind diese zu sehen. Dazu wird Geld gesammelt. Die Puppe stellt den Judas dar, also den Verräter von Jesus oder den Neubeginn des Jahres in spiritueller Reinheit, die Reinigung von allem Bösen, vom Teufel. Dieses Event wird seit je her politisch benutzt. Die Ursprünge der politischen Vereinnahmung dieser Tradition in Venezuela reichen bis zur Zeit der Conquista des Italieners Américo Vespucio (1499) zurück, welcher als Puppe verbrannt wurde. Dieses Jahr verbrennen die Krankenschwestern, die sich seit 32 Tagen im Hungerstreik befinden, eine Puppe als Gesundheitsministerin verkleidet (siehe Foto), weil sie nicht den Forderungen der Protestierenden nachkommt – nicht die Puppe sondern die Gesundheitsministerin. Die Opposition verbrennt Chávez und vor dem Präsidentenpalast Miraflores werden Abbilder der Opposition von Anhängern der Regierungspartei entzündet: „Borgas [Abgeordneter der Opposition] ist ein Judas, weil er die Regierung kritisiert und keine Moral hat“ (2,3,4)

11.-13. April 2002

Posted in Venezuela on 13/04/2011 by janderkran

Wenige Ereignisse entzweien das Land so sehr wie der Staatsstreich vom 11. bis 13. April 2002. Chávez wird in dieser Zeit vom eigenen Volk abgesetzt und dann wieder zurück an die Macht gebracht. Dabei war eine polarisierte Gesellschaft schon Voraussetzung für die damaligen Ereignisse, weshalb ich auch im folgenden schlicht von Chavista und Antichavista sprechen werde:

Dem 11. April gingen zahlreiche Demonstrationen von Regierungsgetreuen und Opposition voraus, sowie eine Wirtschaftskrise, in der die Währung an Wert verlor und das BIP stark sank. Just in dieser Zeit probierte Chávez den heute staatseigenen Petroleumkonzern PDVSA von seiner staatlichen Unabhängigkeit zu befreien, um die Erdölerlöse besser an den gemeinen Mann zu bringen. Dieses Vorhaben wurde von der Mittelklasse und dem Konzern, sowie Gewerkschaften am 5. April 2002 mit einem Generalstreik entgegnet. Was folgte waren eine stark verringerte Erdölproduktion, Nichterscheinen der Zeitungen und TV-Programme. Dafür zeigten Regierungssender, wie das normale Leben weiterging, und Oppositionelle Sender, wie im ganzen Land gestreikt wurde. Für den 11. April wurde eine Grossdemonstration gegen Chávez zum Hauptquartier der PDVSA angekündigt.

Während dieser Demonstration wurde nun illegalerweise die Marschroute der Antichavista zum Präsidentenpalast verlegt, wo sich aber tausende Chavistas befanden. Ein blutiger Zusammenstoss der beiden Fronten stand aus. Jetzt überhäufen sich  unübersichtliche Ereignisse – Wahrheit und Propaganda sind schwer zu trennen. Die Guardia Nacional probiert die beiden Gruppen mit Tränengas auseinander zuhalten, hat aber angesichts der 200.000 Antichavistas wenig Chance. Es gibt ein paar Intermezzi zwischen den beiden Demonstrationen, ein Panzer fährt auf und Schüsse fallen. Am Ende sind 19 Menschen Tod und über 60 verletzt. Dabei sind die meisten Toten Chavistas gewesen. Oppositionelle Medien zeigen die blutigen Ereignisse am Abend im Fernsehen und beschuldigen Chávez für die Toten. Für Stimmung gegen Chávez ist gesorgt. Im Morgengrauen dem 12. April, 2002 wird Chávez im, von Demonstranten belagerten, Präsidentenpalast vom Militär gefangengenommen und in ein Militärgefängnis gebracht. Öffentlich zurückgetreten ist er aber nicht. Es gibt für nur zwei Tage eine Übergangsregierung. Denn in diesen zwei Tagen formierten sich Chavistas zu hunderttausenden und zwangen so die Übergangsregierung im Praesidentenpalast den gefangengenommenen Chávez zurück an die Macht zu lassen(1).

Angeblich war dieser Staatstreich von den Strippenziehern in Medien und Wirtschaft schon ein halbes Jahr vorher geplant worden, die USA hatten wohl auch ihre Finger mit im Spiel. Bis heute sind die Mörder der damaligen Demonstranten nicht ausfindig gemacht (2).

Just zum Jahrestag hat man die regierungsfreundliche Sicht der Dinge in Form von grossen, gewaltvermittelnden Fotos in den Schaukästen der Metrostationen dargestellt und auch war heute (13.04.2011) die ganze Metro kostenfrei zu benutzen. Dafür kamen aber auch die Beschäftigten der psychologischen Bibliothek nicht, denn heute ist Nationalfeiertag für alle Chavista mit Großkundgebung vor dem Präsidentenpalast (3).

Chávez vor seinem Amtssitz heute: „Dies ist die Demonstration des großen Volkssieges geboren am 13. April 2002. Und er ist nicht verschwunden, wie es immer durch die Medien der Oligarchie und des Imperiums gesagt wird […] von diesen Ratten, welche probieren, die Revolution im Volke geboren und noch heute bestehend, aufzuhalten…“(4, übersetzt von mir)

Eine regierungsfreundliche Sicht der damaligen Ereignisse gibt es im Film „The Revolution Will Not Be Televised“ von einem irischen Filmteam, die Gegendarstellung inX-Ray of a Lie“. Der Wikipediaartikel zum Thema hat 109 Fussnoten.

Hier bin ich nicht Mensch, hier darf ich sein

Posted in Venezuela on 11/04/2011 by janderkran

Damnificados heisst so viel wie Geschädigte, politisch korrekt heissen sie seit Neustem Dignificados (dignificar = würdig sein; werden), und bezeichnet die Familien und unglückseligen Menschen, die kein Heim mehr haben. Z.B. aufgrund der starken Regenfälle im letzten Dezember oder einem Erdrutsch vor knapp 10 Jahren, welcher ein ganzes Barrio im Staat Vargas, unweit von hier, unbewohnbar machte. Es existiert ein eklatantes Wohnungsdefizit in Caracas. Das Bauen von neuen Wohnungen wurde zur Chefsache erklärt, und deswegen auch das Ermächtigungsgesetz letzten Dezember erlassen. „Vorübergehend“ hat man die Familien in für diesen Zweck enteignete, sowie umgestaltete Parkhäuser und Hotels einquartiert. Vorübergehend ist deshalb zynisch, weil die meisten Menschen mittlerweile seit einem halben Jahr dort wohnen, bzw. Familien von vor 10 Jahren noch immer kein neues Zuhause haben (1). Alle paar Wochen weiht Chávez nun einige Dutzend neue Wohnungen ein (Vivienda), die feierlich übergeben werden an die ‚Dignificados‚. Zumeist werden aber nur viele große Wohnprojekt proklamiert und wenig wird fertig.

Das Provisorium geht nicht vorüber; das Parkhaus gleich bei mir um die Ecke

Dabei ist die Situation in den Parkhäusern haarsträubend: Krankheiten, schlechte Verkehrsverbindungen, Gemeinschaftsküchen, schimmelnde und berstende Räumlichkeiten, das Fehlen von Strom, Privatsphäre, Identität, Schule, Ärzte und Wasser. Was folgt sind Kriminalität und eingeschränkte Lebensqualität, einhergehend mit hoher Arbeitslosigkeit. Demonstration und Proteste für bessere Umstände fehlen nicht (7.4.2011, El Universal „Damnificados se hacen escuchar“; 2). Artikel 25 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte ist in allen Punkten verletzt (3).

2: Wiesenfeld und Amarao (2007): Cuando mudarse es más que cambiar vivienda

Kein Platz

Posted in Venezuela on 07/04/2011 by janderkran

Die grosse Straflosigkeit in Venezuela ist kaum zu fassen.  Ca. 90 % der Gewalttaten  werden nicht bestraft, können nicht bestraft werden (1,2). Dabei ist es egal ob es sich um Raub, Mord oder Express-Geiselnahme handelt. Express-Geiselnahme ist unglaublich beliebt geworden, man nimmt jemanden für ein paar Stunden fest und setzt damit dessen Angehörige unter Druck möglichst viel Geld zu bezahlen. Der Vorteil: man muss nicht wie bei Diebesgut den Erlös zuerst zu Geld machen.

Andererseits gibt es gar keinen Platz fuer die Täter. Die Gefängnisse sind gnadenlos überbelegt. Z.B. im Gefängnis La Planta, welches fuer 450 Personen ausgelegt ist, befinden sich ca. 2300 Inhaftierte (4). Das ist in den übrigen Haftanstalten nicht anders. Man spricht von 400 %iger Überbelegung. Selbstverständlich, dass es da auch mal zu Streitereien kommt. Innerhalb von 2005-2009 sind immerhin 1.865 Menschen in venezulanischen Gefängnissen gestorben und 4.358 verletzt worden. Die Gewalt wurde gerade vor einiger Zeit wieder von der Kommission fuer Lateinamerikanische Menschenrechte (CIDH) moniert (3). Zu Blutvergiessen kam es speziell im Gefängnis La Planta, weil vor einigen Monaten der Füherer der Inhaftierten „Joan“ mit seinem Kumpel „Mechito“ ausgebrochen ist. Dadurch entstand ein Machtvakuum und die verschiedensten Gruppierungen im Gefängnis gehen/gingen aufeinander los. Die dazu nötigen Waffen (Granaten sind wohl am teuersten) verkaufen manchmal sogar die Wärter, und sind neben den zu entrichtenden Schutzgeldern die Lebensversicherung (5). Der Verkauf von Munition ist wohl ein super Geschäft.

Schätzungen zu folge, gibt es fuer jeden Inhaftierten 2 Schusswaffen

Die aktuelle Gewalt rief Proteste der Angehörigen hervor, die sich um die Sicherheit der Inhaftierten sorgten. Den Inhaftierten fehlt oftmals eine ordentliche Anklage, es gibt keine Resozialisierungsmaßnahmen, Raum für rekreative Aktivitäten oder gesundheitliche Versorgung.

Gerade heute (11.04.2011) mussten 55 Inhaftierte des Gefängnisses Vista Hermosa (Gute Aussicht) in ein Hospital verlegt werden, weil sie sich die Fussgelenke aufgeschnitten hatten. Sie protestierten damit für eine Verlegung in eine andere ihnen zustehende Strafanstalt und Beschleunigung der justizialen Prozesse (6). Weitere andere 700 Inhaftierte befinden sich ebenfalls in diesem Huelga de Sangre (Blutstreik), es geht dabei auch darum, dass ein Haeftlingsfuehrer wieder zurueckverlegt wird in das Gefaengnis Vista Hermosa. Wilmer Brizula hatte eine Verbesserung der Haftbedingungen erreicht (7).

kulinarisches allzukulinarisches

Posted in Venezuela on 06/04/2011 by janderkran

Das Essen hier erinnert stark an US-amerikanische Gewohnheiten. Subway und McDonalds sind omnipresent, sowie viele kleine Hamburger- und HotDogverkaufsstaende. Die Kuehlschraenke sind riesig gross und dass Essen ist ueberwiegend fettig, auch unnoetigerweise. So ist z.B. die Kochbanane eine haeufige Speise. Man packt sie in den Ofen oder siedendes Wasser, bestreicht sie danach mit Butter und streut Kaese darueber. Die undifferenzierte Geschmacksexplosion wird dem guten Eigengeschmack vorgezogen. Landesspeise bzw. Kulturgut ist aber die Arepa, eine aufzuschneidende Maisteigtasche. Hier tut man oft Mayonaise hinein und alle moeglichen Fleichsorten. Das isst man vorzugsweise jeden Tag. Daneben gibt es verschiedenstes FingerFood, wie z.B. die Empañadas, das sind frittierte Teigtaschen gefuellt mit Fleisch oder Kaese – es ist ziemlich viel frittiert hier.

Die tropische Lage von Venezuela erlaubt jedoch bestes Fruechtewachstum. So waechst in Chuao, einem kleinen Dorf am Meer der ‚beste Kakao der Welt‘. Die gelbe Kakaofrucht ist vielleicht bis zu 3 kg schwer, und beinhaltet viele Kakaobohnen, welche umgeben sind von einem goettlichen weissen Konzentrat – man mag grundsaetzlich mehr davon essen! Die Bohnen kann man natuerlich erst nach Trocknung und Roestung weiterverarbeiten.

Diesen paradiesischen Wachstumsbedingungen steht ein immer groesser werdender Import von Nahrungsmitteln gegenueber. So wurden 1998 noch Nahrungsmittel von 1.7 Mrd. $ importiert (10% der Gesamtimporte), 2008 waren es 7.5 Mrd. $ (17 % der Gesamtimporte) . Ich hatte bereits von den Enteignungen im letzten Winter berichtet, welche mit Produktionseinbussen einhergehen und auch von den kraeftigen Regenguessen. Das wird die Lage in Zukunft nicht verbessern. Tatsaechlich ist Chávez vor zwei Tagen von seiner Suedamerikrundreise wiedergekommen, mit einigen Vertraegen bzgl. der Nahrungsimporte (3.04.2011, El Universal). Auf dieser Reise hat er auch 260.000 $ an Schulen und 10 Millionen $ an ein Krankenhaus verschenkt (2). Ein zynische Akt, wenn man sich die Lage der Schulen und Krankenhaeuser hier in Caracas anguckt. Dazu dann ein andernmal.

Lahmgelegt

Posted in Venezuela on 31/03/2011 by janderkran

Die Transportmittel in Caracas sind Metro (es gibt ca. 5 Linien), Metrobus (fährt zur Metrostation und wieder zurueck), Camioneta bzw. Linienbus, das eigene Auto, Taxi oder Motortaxi. Dabei kostet ein Ticket für die Metro kaum 10 Cent (.70 BSF) und kann auch für den Metrobus noch mitbenutzt werden. Camionetas kosten 20 Cent (2 BSF). Zur Rush Hour präferiere ich natürlich die Metro, die untertage lange, hupende Staus umgeht. Vorgestern ist dann aber die Metro-Hauptlinie 1, sie geht einmal durch ganz Caracas, aufgrund eines Strommangels  bzw. Überspannung ausgefallen. Es konnte heute jedoch verkündet werden, das rund 300 Arbeiter 2 km Kabel neu verlegt haben. Hunderttausende mussten zur Arbeit laufen und kamen zu spät, Motortaxis waren auf einmal doppelt so teuer. Motortaxis, bzw. Motorräder sind besonders praktisch, weil sie sich zwischen den schlangestehenden Autos hindurchfädeln, umso gefährlicher sind sie für den unvorsichtigen Fussgänger der eine Strasse im Stau überquert. Wenn nicht die ganze Metro ausfällt, dann ist wie heute die Luftzufuhr oder Kühlung der Metro-Wagons kaputt oder die Rolltreppen in den Bahnhöfen funktionieren nicht. (Desmiluno, 30.03.2011; CiudadCCS, 31.03.2011)

Die Strassenverhältnisse sind schlecht. Wenn nicht geflickt, dann klaffen Löcher im Asphalt, man muss dauernd ausweichen. Wichtige Fernverkehrsstraßen sind teilw. nur einspurig befahrbar, weil der Regen sie unterspült und wegschwemmt. Dann gibt es noch die Policia Acostada, dass sind scherzhaft: zum Schlafen gelegte Polizisten. Zu gut deutsch Geschwindigkeitshuckel. Die gibt es überall. Ansonsten kümmert sich die Polizei aber nicht wie gefahren wird. Man kann sie mit 140 km/h überholen, oder eine rote Ampel durchfahren. Rot bedeutet zu mindestens des nachts im besten Falle abbremsen.

Gute Aussichten

Posted in Venezuela on 28/03/2011 by janderkran

Caracas ist von Bergen umgeben. Ein Höhenzug der Caracas vom Meer trennt, heisst Avila, mit mehreren Gipfeln bis zu 2700 m. Am Sonnabend bin ich mit zwei Freunden auf den Pico Occidental gewandert. Um oben anzukommen muss man aber erst einmal den „Laufsteg“ von Caracas passieren. Das ist eine Fitnessstrecke, das erste drittel der ganzen Wanderung. Hier sind noch unglaublich viele Menschen schwitzend und arschwackelnd unterwegs. Ein Paar Frauen hatten einen silbernen Plastikanganzkörperanzug an. Dieser knisterte vor sich hin – ich nehme an er hilft beim schwitzen und somit beim abnehmen. Ab dem Verschnaufpunkt Sabas Nieve sind aber nur noch eine handvoll Leute unterwegs und es beginnt tropischer Wald – keine Stunde von der Innenstadt entfernt! Hier zwitschern Vögel und schleichen Schlangen, es gibt paradiesische Flüsse zum Baden. Oben angekommen hat man auf der einen Seite den Blick über ganz Caracas, auf der anderen das Meer mit Strand.

Gestern ist die Buchmesse in Caracas – die FILVEN2011 (soviel wie Feria Internacional del Libro de Venezuela) zu ende gegangen, mit viel Programm und einem breiten Angebot an Second Hand Literatur. Also ich meine natürlich gebrauchte Bücher, die billig zu bekommen sind. Es gibt auffällig viele Stände von der Regierung und Sozialisten, auch Kuba und der Iran sind vertreten. Es werden dort billig venezulanische Schrifterzeugnisse und Biografien von Che-Guevara über Simon Bolivar bis Lenin angeboten.

Der vielbeschriebene Hungerstreik ist übrigens vorbei. Alle Forderungen erfüllt, sie müssen nur noch umgesetzt werden. Keiner ist gestorben. Mal gucken wann der nächste Hungerstreik losgeht – einen gibt es schon noch. Krankenschwestern protestieren für mehr Lohn vor der brasilianischen Botschaft (keine Ahnung warum genau dort).

Hier wird gewettert

Posted in Venezuela on 25/03/2011 by janderkran

Chávez beklagt sich über den Krieg des Westens mit Lybien. Viel zu viel Geld wird in „Waffen, unsichtbare Flugzeuge und Bomben gesteckt, dabei sollte man sich viel mehr um Wasser und dessen Verteilung kümmern“, aber darum kümmere sich der kapitalistische Westen nicht (1,1,5). Dabei hat Chávez selbst in den letzten sechs Jahren ca. 15 Mrd. $ in Waffen und ähnliches investiert (2) und profitiert auch jetzt prächtig von dem ansteigendem Erdölpreis.

Mundzu

Aber es gibt noch etwas spannendes zu berichten. Die Hungerstreikenden Studenten haben angefangen sich den Mund zuzunähen, mit Nadel und Faden. Damit soll ihrem Protest Ausdruck verliehen werden – also eher stiller Ausdruck. Und gleichzeitig der Druck auf die Regierung erhöht werden. „Wir haben keine Antwort erhalten, als die Kriminalisierung unseres Protestes. Alles hier passiert dank dem Diktator in Miraflores [Präsidentensitz], der wiedereinmal probiert die venezulanische Jugend umzubringen“ (3) (der Mund war nur halb zugenäht). Chávez hat zwar „gesagt“ dass die Studentenstipendien angehoben werden, aber nichts über Professorengehälter noch über öffentliche studentische Transportmittel (die Verbesserung bzw. Erhöhung dieser waren weitere Forderungen der Hungerstreikenden). Mittlerweile sind dass dann 28 Tage essensloser Protest, aber vor hunger sterben wird hier niemand – hoffe ich. Ich habe gelesen, dass 5 Arbeiter sich seit 130 Tagen im Hungerstreik für ihre Rechte befinden, sie fangen nun auch an sich den Mund zu zu nähen (4).

Subjektive Unsicherheit

Posted in Venezuela on 21/03/2011 by janderkran

Nachts nicht allein auf der Straße sein, ab 10 Uhr abends mit dem Taxi nach hause fahren und immer bescheidsagen wenn man gut angekommen ist. Ein grundsätzlich mulmiges Gefühl haben, wenn man im Dunkeln unterwegs ist, wenn möglich nie mehr als 10 € mitnehmen. Tägliches paranoides daraufhinweisen, wie gefährlich es in Caracas ist, nicht mit dem Handy in der Öffentlichkeit offensichtlich sein. Elektrozäune selbst auf dreimeter hohen Mauern, Kameras nach allen Seiten vor dem Eigenheim, Wachschutz in den besseren, abgeschotteten Wohngegenden, grundsätzliche Vergitterung jeden Fensters – auch im 5. Stock…  etc.

die nachbarschaftliche fast schon pathologische Kriminalitätsfurcht

Die Kriminalitätsfurcht äußert sich in oben beschriebenen Verhalten. Sie hat starken Einfluss auf die eigene Lebensqualität und ist auch in Europa sehr hoch.

Es existiert ein sog. „Risiko-Furcht Paradoxon“. Obwohl die objektive Unsicherheit, also das Risiko Opfer einer Straftat zu werden in Europa gering ist und in den letzten Jahren stagnierte, stieg die Kriminalitätsfurcht. Das Paradoxon ist also dadurch gekennzeichnet, dass die objektive Unsicherheit nicht der subjektiven Unsicherheit entspricht. Evidenz findet das Paradoxon in Caracas darin, dass in den Barrios, in den armen sozialen Schichten, wo die meisten Morde etc. geschehen, die Kriminalitätsfurcht geringer ist, als außerhalb des Barrios, in der Mittelschicht. Die Frage wie man Kriminalitätsfurcht denn misst, spielt dabei eine große Rolle, möchte ich hier aber ausklammern.

Diese Kriminalitätsfurcht wird aus grob drei unterschiedlichen Perspektiven erklärt:      – sie wird einerseits erhöht durch direkte und indirekte Viktimizierung. Dass man also selbst oder ein Bekannter Opfer einer Gewalttat oder Diebstahls wurde (=Viktimisierungsperspektive).                                                                                              – die Soziale Perspektive auf Mikroebene beleuchtet das nähere Umfeld des Individuums, dass bestimmte Stimuli oder Zeichen in der persönlichen Umwelt die Furcht erhöhen. Das sind z.B. Graffitti an den Wänden oder Müll auf den Straßen, Bettler, und eine anonyme Nachbarschaft. Das was man durch die täglichen ein bis zwei Seiten Todesschlagzeilen in einigen Zeitungen an Gewalt in der Stadt mitbekommt zählt ebenfalls dazu.                                                                                                                – die Soziale Perspektive auf Makroebene erklärt die Kriminalitätsfurcht mit gewaltigeren Argumente, z.B. der Angst vor dem sozialen Abstieg, vor dem Arbeitsplatzverlust, also i.A. so etwas wie Spannungen in der Gesellschaft.

In der weitläufigen Literatur wird natürlich für den integrativen Ansatz dieser drei Perspektiven geworben.

Zum Nachlesen:

miedo-al-crimen-en-caracas

– Hale, C. (1996). Fear of Crime: A Review of the Literature. International Review of, 4(2), 79–150.                                                                                                                          – Farrall, S., Gray, E. & Jackson, J. (2007). Theorising the Fear of Crime: The Cultural and Social Significance of Insecurities about Crime. Working Paper No. 5,. Experience and Expression in the Fear of Crime.                                                                                   – Rebotier, J. (2011). Politicizing fear of crime and insecurity in Caracas The manufacturing of a fearful urban meta-narrative. Emotion, Space and Society, 1–9.

Drunter und Drüber

Posted in Venezuela on 17/03/2011 by janderkran

Vorgestern gab es eine große Demonstration. Diese sollte den Protest der hungerstreikenden Studenten verstärken. Ziel sind vor allem höhere Gehälter für Professoren und Studentenstipendien. Während an der UCV ein Stipendium 200BS pro Monat beträgt, ist es an der staatlichen Universität mehr als doppelt so hoch. Die Universitäten sind finanziell abhängig vom Staat.

Heute gab es dazu die Gegenveranstaltung. Die sozialistische Studenten, v.A. der prostaatlichen Universitäten (Universidad Bolivariana und die UNEFA, vor ca. 2 Jahren ins Leben gerufen), marschierten ebenfalls bis vor die Asamblea Nacional, sich einsetzend für eine weiterführende Transformation der Universitäten (neben den obigen Forderungen. Es ist nämlich so, dass die Aufnahmebedingungen z.B. an der UCV für viele Studiengänge an schulische Leistungen geknüpft sind, die man natürlich nur besteht, wenn man einen guten Schulabschluss hat. Für viele Jugendliche aus den Barrios so gut wie unmöglich. Es soll hier mehr Gleichheit herrschen. Ausserdem wurde heute einer der angeblich Hungerstreikenden Studenten beim Essen erwischt, bzw. hat man ein Video (gestern Nacht) von ihm gemacht. „Ich helfe bei der Logistik des Hungerstreiks.“(2,4)

Das komischste ist gestern Abend passiert. An der UCV gab es eine Art Universitätenrat, wie jeden Mittwoch Abend, mit studentischen Vertretern und Professoren. Anscheinend werden die einfachen Angestellten (Putzfrauen, Gärtner, Security etc.) an der UCV, welche gewerkschaftlich organisiert und eher Pro-Chávez, nicht sonderlich pfleglich behandelt, denn diese demonstrierten vor dem Gebäude in dem die Versammlung stattfand, für ausstehende Löhne und Bezahlung von Arbeitskleidung. Dazu gibt es ab nächsten Montag noch einen 48-Stunden Streik. Die Universitätenversammlung wurde von ihnen dann gestern gewaltsam aufgesucht um den eigenen Standpunkt zu kommunizieren. Auf bürokratischem Wege hatte es nicht funktioniert. Es wurde ein Notausgang verriegelt und gesagt, dass man ihren Forderungen zuhören sollte (5 ,6). ein Auto wurde angezündet, der Strom gekappt. Die Präsidentin der Universität sprach von Geiselnahme der Versammlungsmitglieder und suspendierte den kompletten Unterricht an der ganzen Universität für heute und morgen.

„Zumindestens haben wir einen Stern mehr auf unserer Flagge“

Posted in Venezuela on 14/03/2011 by janderkran

Nichts ist so symbolträchtig wie die Staatsflagge. Die Flagge der Bolivarischen Republik Venezuela ist auch eine Trikolore: Gelb und Blau und Rot sind gleich Sonne und goldener Boden, Meer oder Himmel bestimmt aber Unabhängigkeit von Spanien, Blut und Mut der Revolution – kann man sich aussuchen. Eine andere etwas zynischere Interpretation ist die, dass Francisco de Miranda, welcher die Flagge erstmals hisste und nicht nur im venezolanischen Unabhängigkeitskrieg kämpfte, sondern auch im US-Amerikanischen und der Französischen Revolution, auch mal in Russland war. Die dortige Flagge nahm er mit, und auf dem Weg nach Südamerika ist das Weiß ausgeblichen und ein schönes Gelb geworden…

Flagge ab 2006

Flagge 1930-2006

Man muss kein Vexillologe sein, um die Unterschiede zwischen den beiden Flaggen herauszufinden. Das Pferd auf dem Bolivar zu Felde ritt, guckt seit 2006 nicht mehr nach hinten. Was man als ängstliches Zurückschauen deuten könnte, ist durch strebsames Vorantraben ersetzt. Zudem schmückt ein zusätzlicher Stern den Bogen. Ursprünglich gab es nämlich sieben Provinzen, die sich 1811 gemeinsam als unabhängig erklärten: Caracas, Cumaná, Barcelona, Barinas, Guayana, Margarita, Mérida y Trujillo. Guayana kam dann als Provinz wenig später, 1817 unfreiwillig hinzu und bekam schließlich 2006, zusammen mit dem Pferd durch das Ley de Bandera Nacional, Himno Nacional y Escudo de Armas de la actual República Bolivariana de Venezuela (soviel wie Gesetz der Staatsflagge, der Nationalhymne, des Wappen der Streitkräfte der Bolivarischen Republik Venezuela) den achten Ehrenplatz.

Nun gut, es gibt schon noch symbolträchtiges hier, vom Bolivar Fuerte hatte ich schon erzählt, aus der Republik Venezuela wurde die Bolivarische Republik Venezuela und noch etwas: Navidad es Amor, Navidad es Solidaridad, Navidad es Socialismo (Weihnachten ist Liebe, Solidarität, Sozialismus), die Banner flattern noch immer an der Einkaufsmeile Sabana Grande herum. Bei der sonntäglichen Talkshow von Chávez kann man anrufen und seine Probleme schildern. Wenn man Glück hat, löst sie der Herr sofort… per Dekret.

Morgen ist eine Demonstration von Studenten, welche die Forderungen der immer noch Hungerstreikenden Studenten nach höheren Gehältern unterstützt. Ani, meine Gastmutter wird mit der 7-sternigen Flagge mittrillern.

Objektive Unsicherheit

Posted in Venezuela on 11/03/2011 by janderkran

Caracas ist die gefährlichste Stadt in Lateinamerika. Für das Jahr 2008 waren es mehr als 130 Tötungen pro 100.000 Einwohner. In ganz Venezuela mehr als 13.000 Stück. Zum Vergleich, Bogota hatte 20 Morde pro 100.000 Einwohner. Deutschland hat ca. 0,6 pro 100.000 Einwohner. Opfer sind vor allem Jugendliche, Arme, Männer (1). Letztes Wochenende zum Karneval, gab es im Leichenhaus Bello Monte lediglich 39 Einlieferungen – friedliche Tage. Zeitungen dürfen nur noch gesetzlich begrenzt Fotos von den grausamen Szenen zeigen, wo fängt freie Berichterstattung auf und Panikmache an? Ich habe meine erste Arbeitswoche damit verbracht Zeitungsartikel verschiedener Tageszeitungen des Monats Dezember 2010 zu klassifizieren: nach Mord, Diebstahl, Verletzungen und was jeweils intendiert war, seitens des Täters – zum Glück nur eine Woche, denn depressiv wird man sonst.

Die Leichenschauhaeuser sind heillos ueberfuellt. Unmoralisch das Foto oder die Zustaende? 10.Aug.2010

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

In der Kriminologie wird zwischen objektiver und subjektiver Unsicherheit unterschieden. Die obigen Zahlen zählen zur objektiven Unsicherheit. Ein Report von Provea (2009), eine Nichtregierungsorganisation, beleuchtet  die große Dunkelziffer. Also Morde und Diebstähle die normalerweise nicht angezeigt werden. Da sind das für ganz Venezuela schon über 20.000 Tötungen in 2009 (Dunkelziffer+die anderen). Dabei geschehen die meisten Delikte in den Barrios (2), dort wo die Unterschicht zu Hause ist, durch Bandenkriege. Petare in Caracas ist das größte Barrio von Lateinamerika, mit insgesamt über 1,5 Millionen Einwohnern, schlägt es die größten Favelas in Rio de Janeiro. Es ist eine Stadt in der Stadt, an einem riesigen Berghang gelegen, aus der muss man nicht raus, denn man kann dort arbeiten und essen kaufen. Hier herrscht das Ley de Barrio. In der Tat ist die Straflosigkeit vieler Morde eines der größten Probleme. Trotzdem sind die Gefängnisse Venezuelas heillos überfüllt, mit bis zu 400%. Es gibt viele Tote, welche regelmäßig von Internationalen Menschrechtsorganisationen angemahnt werden und die meisten Inhaftierten warten seit Ewigkeiten auf eine Anklage (3). Mir gehts gut…

1: Briceño-León (2009). Violencia y Inseguridad en Venezuela. Informe 2008. Caracas: Alfa.

2: Provea. Derecho a la Seguridad Ciudadana. Informe Anual, 2009.

Warum keine Flip-Flops?

Posted in Venezuela on 08/03/2011 by janderkran

Gestern war ich in einer Fotoausstellung: Testigo Incómodo von Walter Astrada. Seine Fotos stellen Gewalt v.A. gegen Frauen in verschiedenen Ländern, wie im Kongo oder in Indien dar. Seine derzeitigen Arbeiten beschäftigen sich mit Schönheitsidealen und Konkurrenz junger Venezuelanerinnern und der Drang sich dafür unters Messer zu legen – auch eine Form von Gewalt. Diese Ausstellung war sehr eindrucksvoll. Komisch, dass sie in einer Schule für Fotografie untergebracht war, die als solche von außen nicht erkennbar war. Es gab nur hohe weiße Mauern und kein Schild, keine Klingel. Man brauchte ein Telefon um hineinzukommen (1,2).

Auf dem Rückweg habe ich meinen ersten Hund in Gummistiefeln gesehen. Sie waren gelb, er klein und weißfellig. Dazu hatte er noch eine Decke um den Bauch. Es ist ja kalt hier. Die Halterin des Hundes bezeichnet man als vieja sifrina. Ich weiss nicht genau was sifrina heisst, aber vielleicht so viel wie „einsam“ und „ich kümmere mich den ganzen Tag um meinen Hund.“ Geregnet hatte es nicht, ich hätte Gustav ein paar Flip-Flops angezogen, wegen dem Schwitzen und es klackt dann immer viermal – Klack4

Carnaval und Land weg

Posted in Venezuela on 07/03/2011 by janderkran

Dieses Wochenende war Carneval und dazu gibt es noch zwei Tage frei (Montag und Dienstag). Caracas ist wie leergefegt, weil alle Leute an 253 Stränden sitzen und feiern. Im Bundesstaat Falcón wurden 700 000 Besucher erwartet, 6000 Sicherheitskräfte passen auf die auf. Normalerweise gibt es sogar eine staatlich verordnetes Alkoholverkaufsverbot für diese

Las playas del Litoral - Silvino Castrillo

Las playas del Litoral - Silvino Castrillo

Tage, was aber so viel heisst, dass der Alkohol ein bisschen teurer ist und vorher umso mehr gehortet wird für die Feierlichkeiten. Die Strände sind dann total voll, und weil die Straßenverhältnisse sich, v.A. auch seit den Regengüssen im letzten Dezember, nicht verbessert haben gibt es kilometerlange Staus.

Im Bundesstaat Zulia wurden letzten Dezember 47 Fincas, also Ländereien mit Plantagen, enteignet vom Instituto Nacional de Tierras (INTI) und mit Militär besetzt. Die ursprünglichen Eigentümer der Fincas dürfen nicht mehr zurück auf das Land. Vielleicht nicht ganz nach dem Motto: La tierra es de quién la trabaja“ (Das Land denen, die es bearbeiten). Die Produktion kann seit der Enteignung nur noch eingeschränkt weitergeführt werden. Es fehlen Pflanzenschutzmittel und Dünger, was zu Krankheiten und Pflanzensterben führt. Dafür bekommen dir Arbeiter mehr Geld: „Sie bezahlten 5 BS pro Korb, am Tag erarbeitete man 26 Körbe. Jetzt bekommen wir 2000 BS [im Monat] und wir schaffen 3 Körbe am Tag.“ (28 + 27.2.2011, El Universal). Von 2004 – 2010 wurden in Venezuela 779 Verstaatlichungen durchgeführt, ein Großteil davon im Bereich der Landwirtschaft (1). Dabei wurden für die enteigneten Betriebe, wohl zu Marktpreisen übernommen. So ist Agropatria (ehem. Agroislena) eines der größten landwirtschaftlichen Betriebe in Staatshand welches die Preise 40-50 % gesenkt hat. Damit wird natürlich anderen Marktteilnehmern das Leben erschwert.  Ein Großteil der Lebensmittel wird dennoch importiert. Das Label Hecho en Socialismo (Im Sozialismus hergestellt) ist für den kleinen Geldbeutel zu haben und Produkten der Großkonzerne wie Nestlé preislich und vielleicht auch moralisch vorzuziehen. Oftmals halte ich jedoch vergeblich in den Supermärkten nach diesem Label Ausschau, obwohl es an jeder Straßenecke mit lächelnden Venezolanern proklamiert wird.

Tiuna el Fuerte (6) und Caracazo (22)

Posted in Venezuela on 01/03/2011 by janderkran

Fuerte Tiuna ist eines der wichtigsten und größten Militärstützpunkte in Venezuela. Er befindet sich in Caracas, in El Valle. In namensgebender Anlehnung wurde das Jugendprojekt Tiuna, el Fuerte (genau andersherum) vor sechs Jahren gegründet. Es befindet sich ebenfalls in El Valle, genau vor einem der großen Barrios (Slums) von Caracas. Dieses Projekt bietet Freiraum zur kulturellen Betätigung. Es existiert ein Radio Comunal welches Radio Verdura (Gemüseradio) heißt, sowie Kunstworkshops, Hiphop-Ensembles zum Mitmachen und Kampagnen von Psychologen gegen die hohe Kriminalität im Barrio. Am Samstag feierte es großen Geburtstag, mit riesiger Bühne, Lichtshow, vielen Kameras, um das Event im Fernsehen zu übertragen, Reggae und Salsamusik von sich im Halbstundentakt abwechselnden Bands, sowie ein wenig sozialistischer Rhetorik. Das ganze Projekt wird ziemlich gut finanziert durch Gelder der Regierung, ist aber leider eines von wenigen seiner Art (1).

Gestern und Vorgestern erinnert dann ein tragischeres Event an sein Geschehen von vor 22 Jahren, bei dem knapp 300 Leute den Tod fanden – Caracazo. Aufgrund der horrenden Inflation und schlechten wirtschaftlichen Aussichten für Venezuela, sollte im Februar 1989 ein Regierungsprogramm unter der Regierung von Carlos Andrés Pérez nach Vorgaben des IWF durchgesetzt werden. Freie Wechselkurse, aber v.A. die Erhöhung der Preise für den öffentlichen Nahverkehr und Benzin, sorgte für Unmut bei ärmeren Teilen der Bevölkerung. Die starken Demonstrationen auf den Straßen Caracas wurden blutig niedergeschlagen.

Caracazo

Heute wird das Event von Chàvez und Co. politisch vereinnahmt. “Was [gestern] Caracazo war ist heute Ägypten, und eine Regierung wie damals wird nie mehr in Venezuela an die Macht kommen, sei es durch Wahlen oder auf anderem Wege z.B. durch das Pentagon. (Für die, die es versuchen denen sei gesagt,) dass wir tanzen, singen und fröhlich sind, überall im Land, aber auch mutige Kampfer des bolivarischen Vaterlandes…” (uebersetzt nach Chàvez, El Universal, 28.02.11, 2)

Chávez saß übrigens schon einmal in Fuerte Tiuna in Haft. Nämlich für ein paar Tage  im April 2002, als gegen ihn geputscht wurde, da hat man ihn dort vorsorglich inhaftiert…

Einmal den Tank voll

Posted in Venezuela on 26/02/2011 by janderkran

Nichts in Venezuela ist so billig wie der Liter Benzin. Wasser ist regelrecht teuer, wenn man bedenkt, dass man mit dem Preis von 1,5 Litern Wasser aus dem Supermarkt gut und gerne 60 Liter Benzin (95 Oktan) Tanken kann. 91 Oktan Benzin ist sogar noch billiger. Eine Flasche Wasser kostet ca. 6 BsF (2). Da ist es schon paradox, wenn die Opposition der Regierung vorwirft, dass sie den Preis anheben wollen. Chávez plant einen geringeren Verbrauch von Benzin, immerhin sind mehr als 90% des Preises subventioniert (1). Rush Hour in Caracas ist ein Graus. Es scheint als habe jeder Bürger ein Auto und das ist oft ein großer Ford oder Chevrolet – hauptsache groß und laut mit einer Alarmanlage die bei einem halben Meter Entfernung anspringt und 30 sec. lang herumdudelt.

Eine Schachtel Zigaretten kostet ungefähr 15 BsF, also zwei Flaschen Wasser. Wenn ich so durch die Universität flaniere, hat mich zu anfangs erstaunt, dass auch innerhalb der Gebäude geraucht wird. Allerdings sind diese auch zu manchen Seiten offen. Es ist so warm, dass Dämmung und Heizung nicht interessieren, sondern eher das frische Lüftchen, dass durch die Flure weht. In drei Monaten ist damit dann aber Schluss, dann kommt das Nichtraucherschutzgesetz, für alle öffentlichen Gebäude. Aber ob das dann auch für die Universität gilt, weiß ich nicht genau. Die haben einen ‚halb’autonomen Status. Man bekommt als Student in den Unis übrigens auch kostenfrei Essen. An der UCV gibt es eine RiesenMensa, die man auch morgens und abends frequentieren kann.

Hungerstreik ist vorbei

Posted in Venezuela on 23/02/2011 by janderkran
Yeah Fleisch

Yeah Fleisch, Cortesia Globovision

Nach 23 Tagen sind die ueber 60 hungerstreikenden Studenten erloest. Es sollen immerhin 7 politische Gefangene (von 27) freigelassen werden (1).

Eine regierungstreue Studentengruppe hat irgendwann in den letzten Tagen ein Grillparty vor den Hungerstreikenden veranstaltet.

Mittlerweile hat der nächste Hungerstreik begonnen. Drei Studenten protestieren für höhrere Stipendien und Professorengehälter (2).

Alles wird teuerer, auch falls Gadhafi kommt

Posted in Venezuela on 22/02/2011 by janderkran

Simon Bolivar (1783-1830) ist ein lateinamerikanischer Unabhängigkeitskämpfer gewesen. Heute ist nicht nur ein Land nach ihm benannt, sondern auch die venezuelanische Währung – der Bolivar Fuertes! So heisst er ab 2008, auch wenn er sich davor nur als „Bolivar“ in ständig inflationärem Trend befunden hat. Man hat gleich bei der neuen Namensgebung drei Nullen von ihm weggenommen. 1000 Bolivar waren also 1 Bolivar Fuerte – Fuerte heisst so viel wie stark. Seit 2003 gibt es in Venezuela einen festen Wechselkurs. 1 Dollar war damals 2,15 BS wert. Das war  damals schon extrem überbewertet. Heisst es doch, dass man ein Dollar schon für 2,15 BS kaufen konnte, wenn man ihn denn angeboten bekommen hat.

Es entwickelte sich ein Schwarzmarktkurs, der sich immer weiter vom festverordneten Kurs abhob. Wenn man also als Tourist mit Dollars nach Venezuela kam, dann hat man auf dem Schwarzmarkt wesentlich mehr BS, als zum staatlich verordneten Wechselkurs, bekommen können. Das ist auch heute noch so. Zwischendurch hat die Regierung die Währung immer weiter abgewertet, also mittlerweile bekommt man schon ein Kurs von 1$:4,3BS. Der Schwarzmarktkurs liegt aber immer noch darüber, bei 1$:9,11 BS – kann man sich jeden Tag angucken, den „Dolar Paralleo„, und sehen wie er an Wert „zunimmt“. Schon auf dem Flughafen wird man noch vor der Zollkontrolle gefragt, ob man nicht Geld tauschen wolle. Im Jahr 2010 gab es eine Inflationsrate von 27,2 %, 2009 lag sie nur unwesentlich darunter (1)! Der Lohn wird v.A. bei den Beamten jedes Jahr (ich glaub am 1. Mai) angehoben. Anders ist das z.B. bei Angestellten an der Universitaet (UCV), welche autonom ist. Hier wird nur alle 3 Jahre das Gehalt erhoeht.

Auch doof, dass angeblich seit 12 Jahren der Mindestlohn nur um 1% gestiegen ist, obwohl er 12mal angehoben wurde, aber eben immer nur um den Inflationssatz (2). Er liegt im Monat bei ca. 1200 BS. Nur muss man jetzt den Schwarzmarktkurs oder den staatlichen Wechselkurs zu rate ziehen, um zu wissen wie viel dass den eigentlich ist? Venezuela kann sich also auf der einen Seite mit einen der hoechsten Mindestloehne weltweit bruesten. Andererseits, bin ich jetzt fast schon 14 Tage hier und habe ziemlich genau 1200 BS fuer Essen ausgegeben habe, dabei habe ich keine Schokolade noch Cola gekauft…

Gerüchten zufolge, soll sich der lybische Diktator Gadhafi nach Venezuela absetzen (3). Ist hier bestimmt nicht ganz unwillkommen, vielleicht fliegt ihn ja Berlusconi in seinem Privatjet hierher und bleibt gleich mit hier. Andererseits frage ich mich, warum Deutschland Gadhafi nicht einen Krankenhausaufenthalt angeboten hat, damit er wohlgeordnet sein Land der Zukunft übergeben kann…

Der etwas andere Briefversand

Posted in Venezuela on 18/02/2011 by janderkran

Im Bürogebäude in dem ich arbeite, welches so ca. 10 Stockwerke hat und unglaublich hässlich ist, gibt es in den untersten zwei Geschossen verschiedenste kleine Geschäfte. Um vom Erdgeschoss ins Zweite zu kommen, muss man eine nicht funktionierende Rolltreppe nehmen und sieht sich, wenn man denn des Morgens ankommt, einer Schlange voller alter Menschen gegenüber, die darauf warten in so ein „Verkaufssalon“ zu kommen. Denn dort können Massagethermomatratzen ausprobiert werden, die man natürlich teuer erwerben soll, für ca. 1500 €.

Das Psychologische Institut ist dann über lediglich zwei funktionierende Aufzüge zu erreichen, oder man nimmt die Treppe, mit einer viel zu tief hängenden Decke. Ich habe mit meinen Wohnungsschlüsseln und meinen Büroschlüsseln jetzt insgesamt 10 Stück. KlimperKlimper. Es ist nämlich auch innerhalb des Bürogebäudes nochmals alles vergittert – dicker Gefängnisstyle 🙂

Jedenfalls musste ich gestern einen Brief nach Deutschland schicken. MSW ist so etwas wie UPS, nur auf spanisch. Eine kleine Postannahmestation gibt es im untersten Teil des Bürogebäudes, da wo auch morgens die älteren Leute stehen, in einem Friseur- und Nagelsalon integriert. Heute habe ich es geschafft, den Brief loszuwerden. Am anfang der Woche ließ mich der Herr MSW wissen, das es 18 € koste einen Brief nach Deutschland zu senden… und das man aber umsonst zu dortigen Universitäten versende. Das habe ich dann gestern gemacht (mit dem Hintergrund, dass man an der TU Dresden sich meiner entsinne und den Brief zum eigentlichen Ziel weiterschickt). Ich habe insgesamt ca. 45 min im Friseursalon zugebracht. Während der ganzen Zeit hat sich eine ältere Dame die Fingernägel polieren lassen und Fußbad gemacht (Ich hoffe die Füße als auch die Fingernägel sind noch vorhanden). Ich habe unterdessen 5 Blätter ausgefüllt, mit Fingerabdruck und Reisepasskopie etc. und bis dann die Adresse richtig im Computer eingegeben war, verging halt so ein bisschen Zeit. Zuguterletzt hat Herr MSW noch meine zuvor Briefumschläge aufgemacht und auf den Inhalt geprüft. Man darf nämlich weder Haustiere, Handys, Geld und Checks, Gold noch Drogen versenden…

aus ‚freien‘ Stücken Hunger haben

Posted in Venezuela on 17/02/2011 by janderkran

Der Hungerstreik als politische Waffe ist hier brandaktuell. Er wird/wurde von 5 ehemaligen Mitarbeitern der staatlichen Ölgesellschaft Pdvsa vor der Asemblea Nacional (dem Parlament) ausgeführt, um nach einer unrechten Kündigung (z.B. wegen Krankheit) wieder im Unternehmen Anstellung zu finden (1).

hungerstreikend

Auch Studenten nutzen den Hungerprotest. Mittlerweile sind es schon 50 Stück aus 10 verschiedenen Staaten vor dem Sitz der Organisacíon de Estados Americanos in Caracas. Diese Organisation ist über 40 Jahre alt und hält alle guten Dinge hoch, wie Menschenrechte, Rechte von Indigenen, ist gegen Intoleranz und für Demokratie und Sicherheit. Mitglied sind alle 35 unabhängigen Staaten in Amerika, also sowohl die USA, als auch Venezuela selbst.  Die ersten Studenten haben zum Anfang diesen Monats aufgehört zu essen. Damit soll v.A. Druck auf die Regierung ausgeübt werden, damit die politischen Gefangenen freikommen und Menschenrechte geachtet werden. Mittlerweile treten Anzeichen von Debilität, Nierenschäden und Hypertonie auf. Unterstützung erhalten die Streikenden von der Mesa de la Unidad Democrática,  was im Groben 67 Abgeordnete der Asamblea Nacional (dem Parlament) sind und damit alle Oppositionellen ‚Volksvertreter‘. Diese solidarisieren sich, natürlich um Chávez zu ärgern, den Druck zu erhöhen und den Studenten beizustehen. Man hofft ebenso auf internationale Beachtung, aber außervenezuelanische Offizielle dürfen nur mit Einladung einreisen (2,4).

Zara schließt übrigens 5 Läden in Venezuela. Die Devisen sind knapp und der Umsatz lohnt nicht (3).

Und in Mexiko sitz ein junger Mann vor der Englischen Botschaft, um sich mit seinem schon 9 tägig andauernden Hungerstreik eine Eintrittskarte zu ergattern, für die Hochzeit von Kate Middleton und dem Prinzen – sein einziger großer Traum…

Aló Presidente

Posted in Venezuela on 15/02/2011 by janderkran

Logo der Sendung Aló Presidente

Chávez hat eine Talkshow, die er selbst moderiert und leitet. Gestern in Aló Presidente número 370 (1,2), wehrte er sich u.a. gegen die zuvor aufkommenden Vergleiche zwischen ihm und dem aus dem Amt getrillerten Mubarak. „Ägypten war eine Diktatur und das Volk sei ärmer als das in Venezuela. Deswegen hätte es die Revolution gegeben“. Während diesen Sätzen spielt er mit zwei faustgroßen Steinen herum. Auch machte er neue Wohnprojekte in der Ciudad Socialista publik, die gebaut werden und gebaut wurden v. A. für die Bevölkerung, welche aufgrund der starken Regenfälle im letzten Jahr obdachlos geworden ist und für die Leute, die kein Wohneigentum haben…

Das Ley de Habilitante (Ermächtigungsgesetz) schafft dem Präsidenten die Möglichkeit in bestimmten Bereichen z.B. bzgl der öffentlichen Sicherheit per Dekret, also an der Asamblea Nacional (dem Parlament) vorbei  zu regieren (3). So sollte im May 2008 ein Gesetz erlassen werden, welches Bürger unter Strafe dazu verpflichtete über ihre Mitbürger zu berichten (4,5). Dies ist dann unter großen Protesten zurückgenommen worden. 66 andere Dekrete wurden jedoch innerhalb der 18monatigen Wirkdauer des Ley de Habilitante erlassen. Auch im letzten Dezember gab es wieder ein Ley de Habilitante, welches bis zum 5. Januar, 2011 andauerte, mit der Begründung, den über 100.000en durch Regenfälle obdachlose gewordenen Bevölkerung könne nur mit einer Notstandsgesetzgebung geholfen werden. Mit Neujahr wurde dann u.a. das Ley de las Unviersidades (Universitätengesetz) erlassen. Dieses sah u.a. vor, die Verwaltung der Universität einer staatlichen Bildungsinstitution zu unterstellen und die Armee im Campusgelände stationieren zu können. Damit wäre Autonomie der Universitäten ernsthaft in Gefahr gewesen. Große Proteste kippten jedoch auch dieses Gesetz. Dazu Chávez: „Man kann sich ja mal irren“ und „ich will ja nicht, dass die Leute von mir denken, ich höre nicht auf das Volk“(6).

Mein Zynismus noch dazu: Es gibt in Venezuela niemanden der arm ist, jeder hat eine Wohnung und reichlich zu essen. Deswegen geht auch niemand auf die Straße, um gegen demokratisch erlassene Gesetze zu demonstrieren.

Weltkulturerbe zerfällt

Posted in Venezuela on 13/02/2011 by janderkran

Vor genau 10 Jahren hat die Universidad Central de Venezuela (UCV) den Weltkulturerbetitel bekommen. Auf dem riesigen Campus, mit über 70 000 Studenten und knapp 6000 Professoren, befindet sich ein großes Schwimmbad, ein Baseball Stadion, betonüberdachte Wege und eine Menge heruntergekommener Gebäude – hier gewinnt der Sichtbetonstil eine ganz neue Bedeutung, weil der Beton erst allmählich zum Vorschein kommt. Selbst die medizinische Fakultät strotzt nur so von Baufälligkeit. Es gibt kunstvolle Mosaikgemälde an den Wänden sowie Palmen.

Die psychologische Bibliothek ist sehr heruntergekommen. Die Bibliothekarin ist von einem Pilz infiziert, der auch die Bücher belegt und zunichte macht. Hier kann man nicht einfach so sein Buch ausleihen und mit nachhause nehmen. Es sind alles Bestandsbücher.

Vorlesungen in großen Säälen scheint es nicht zu geben. Es wird in Seminargröße gelernt. Theoretisch kämen auf einen Professor etwa 12 Studenten. Als ich durch die psychologische Fakultät gelaufen bin, habe ich knapp 5 kleine Büros gesehen.

Die Aula Magna der UCV ist mit einer fabelhaften Akustik ausgestattet. Hier gibt es eher Konzert als Vorlesung. Gestern durfte ich einem solchen Konzert beiwohnen. Gespielt hat anlässlich seines 36. Geburtstages die Fundacion del Estado Sistema Nacional de las Orquestras y Coros Juveniles e Infantiles de Venezuela (Fesnojiv) Gustav Mahler’s 3. Sinfonie in D-Moll, mit Michelle DeYoung als Solistin. Dabei heisst El Sistema, dass in ganz Venezuela ein Netz von hunderten von Orchestern rund 350.000 Kinder und Jugendliche beschäftigen. Diese sollen wohl v.A. aus den ärmeren Schichten rekrutiert worden sein und damit von Kriminalität und Drogen abgehalten werden.

Der Eintritt für das Konzert lag bei ca. 20 Bolivares (Bs), etwa so teuer wie 20 Brötchen, wobei ein Brötchen hier ein fünftel so viel kostet wie in Deutschland. Es war alles ausverkauft und am Ende Standing Ovation mit 10 Minuten Applaus – Habe ich noch nie erlebt so etwas (den Applaus). Bemerkenswert ist der Kinderchor, der knapp 300 Kleine zählte. sie haben dann auch knapp 5 min. gesungen 🙂

Dieses Profiorchester und das heruntergekommene Weltkulturerbe stehen im krassen Gegensatz.

Vivir en Socialismo

Posted in Venezuela on 11/02/2011 by janderkran

– Dismunuyó la mortalidad infantil – Vivir en Socialismo – – Más de un mil de Venezuelanos estudiaron a las misiones educativo – Vivir en Socialismo

Por: MinCI

Es gibt weniger Kindersterblichkeit und mehr Studenten in Venezuela, durch den Sozialismus. Diese und andere, an großen Bannern hängenden Infos fielen mir auf, als ich am Flughafen Simon Bolivar in Caracas angekommen bin.

Es ist sehr warm und unglaublich luftfeucht hier. Iberia ist die schlechteste Airline die ich kenne. Angekommen bin ich trotz Verspätung ziemlich gut.

Vor zwei Wochen gab es 37 Fälle von Cholera in Venezuela. Das erste Mal seit 1991. Diese sind nicht auf unhygienische Verhältnisse o.Ä. rückführbar. Es betrifft außerordentlich reiche Venezueloaner, welche in Santo Domingo ein Domizil haben. Dort haben sie Fisch aus einem Fluss gegessen, der Cholera verseucht gewesen ist. Zudem soll auch das Eis, mit dem der Fisch gekühlt wurde, infiziert gewesen sein…

Im Voraus Hintergrund

Posted in Venezuela on 09/02/2011 by janderkran

Venezuela liegt im Norden des Südamerikanischen Kontinents, östlich von Kolumbien, westlich von Guyana und nördlich von Brasilien. Von der Fläche ist Venezuela knapp dreimal so groß wie Deutschland. Eine ziemlich lange Küste (2800 km) gibt es in Richtung Karibik. Diese geografische Nähe und der damit verbundene Kontakt ist ein Grund, warum die Amtssprache Spanisch einen karibischen Klang haben soll. Es werden aber v. A. in den ländlichen Regionen auch indigene Sprachen gesprochen, z.B. Wayuu oder Warao.

Venezuela leitet sich vielleicht von Venezia, respektive Venedig ab. Die ersten spanischen Entdecker (Kolumbus ging 1498 das erste Mal an Land) wurden beim Anblick der Pfahlbauten an der Küste, wohl stark an Venedig erinnert. Was ebenfalls stimmen könnte ist, dass die erstentdeckten indianischen Bewohner auf einem flachen Felsen gewohnt haben sollen, welcher „Veneciuela“ genannt wurde. (Quelle: Wikipedia)

Staatschef ist derzeit der Präsident Hugo Rafael Chávez Frías. Seine eindrucksvolle Regierungszeit werde ich kurz skizzieren. Chávez ist 56 Jahre alt und hat mit 17 Jahren eine militärische Laufbahn begonnen. Sein politisches Vorbild war und ist u.a. Simon Bolivar, ein südamerikanische Freiheitskämpfer. Nach ihm ist die Revolució Bolivariano, also die Bolivarische Revolution und auch die Währung Bolivar benannt. Chávez hat 1992 versucht sich an die Macht in Venezuela zu putschen. Damit erregte er nationales Aufsehen und Ansehen. Nach zwei Jahren im Gefängnis nahm er 1998 mit der MVR (Movimiento Quinto [V] Republica = Bewegung für die 5. Republik) an den Wahlen teil. Er gewann und beraumte eine verfassungsgebende Versammlung ein. 1999 wurde die bolivarische Verfassung per Referendum angenommen. Die „Megaelección“, bei der alle Wahlämter neu gewählt wurden, fand 2000 statt – Chávez wurde Präsident und seine Partei stärkste Kraft. Er ließ daraufhin alle Gewerkschaftsposten neu wählen, wovon viele ihm zugehörig waren. 2002 wurde der Führungskader des staatlichen Ölkonzerns PDVSA mit Regierungstreuen besetzt, woraufhin großer Protest von der Opposition losbrach, inklusive Generalstreik. Beschwichtigung mittels 31 Fernsehansprachen innerhalb von 3 Tagen seitens Chávez‘, konnte oppositionelle Proteste mit Hunderttausenden nicht beruhigen. Zur Eskalation kam es, als Demonstranten der Opposition (Opposition ~ katholische Kirche, Wirtschaftsverbände und CTV-Gewerkschaften) und der Regierung aufeinandertrafen. Ca. 19 Tote waren Grund genug für die Opposition mit dem Militär gegen Chávez am 12. April 2002 zu putschen. Es folgte seine Amtsenthebung und bürgerkriegsähnliche Zustände und riesige Proteste der Bevölkerung. Ein Tag später wurde Chávez aus seiner Militärhaft befreit und die Putschisten festgenommen. Eine damalige Verstrickung der USA mit den oppositionellen Putschaktivisten ist nicht auszuschließen (ich gucke mal noch bei Wikileaks nach).

Im Dezember desselben Jahres kam es zu einem abermaligen Generalstreik, um den Präsidenten zum Rücktritt zu zwingen. Vor allem die Ölindustrie wurde für 2 Monate komplett lahmgelegt – ca. 10 Mrd. Dollar wurden ‚verloren‘. Das BIP sank 2002 und 2003 um jeweils ca. 9 %. Anfang Februar 2003 war eigentlich alles vorbei und beim alten. (Quelle: Wikipedia)

2004 wurde ein Referendum zur Absetzung des Präsidenten ins leben gerufen. Dies geschah durch eine Unterschriftenliste, um den Volksentscheid herbeizuführen. Chávez ging als Sieger hervor. In diesem Jahr war die Wirtschaft wieder kräftig gestiegen. Bemerkenswert ist allerdings, dass die Unterschriftenliste im Nachhinein veröffentlicht wurde, damit manch einer sich wehren konnte, wenn er wider seinem Willen in die Liste eingetragen wurde. Nur wurde wohl auch bei der Besetzung neuer Staatsstellen in der Liste nachgeguckt, ob man sich nicht ehemals als Oppositioneller geoutet hat. 2006 war wieder Wahljahr, welches Chávez für sich entscheiden konnte. Wahlbeobachter sprechen grundsätzlich von reibungslosen Verläufen der letzten Wahlgänge und anders als in Deutschland, gehen in Venezuela viele Menschen wählen.

… wird vervollständigt

Hallo liebe LeserInnen

Posted in Venezuela on 09/01/2011 by janderkran

Ich bin Jan und befinde mich ab dem 10. Februar 2011 in Caracas in Venezuela. Dort absolviere ich ein Praktikum an der Universidad Central de Venezuela (UCV). Ich möchte euch einen Einblick über die politische Situation mit Hintergründen und mit meinen Erfahrungen in Venezuela verschaffen. Dabei werde ich alle möglichen Themen ansprechen. Vorzugsweise jene, mit welchen ich auch im Rahmen meines Praktikums beschäftigt bin.

Viel Spass beim Lesen

euer janderkran