Subjektive Unsicherheit

Nachts nicht allein auf der Straße sein, ab 10 Uhr abends mit dem Taxi nach hause fahren und immer bescheidsagen wenn man gut angekommen ist. Ein grundsätzlich mulmiges Gefühl haben, wenn man im Dunkeln unterwegs ist, wenn möglich nie mehr als 10 € mitnehmen. Tägliches paranoides daraufhinweisen, wie gefährlich es in Caracas ist, nicht mit dem Handy in der Öffentlichkeit offensichtlich sein. Elektrozäune selbst auf dreimeter hohen Mauern, Kameras nach allen Seiten vor dem Eigenheim, Wachschutz in den besseren, abgeschotteten Wohngegenden, grundsätzliche Vergitterung jeden Fensters – auch im 5. Stock…  etc.

die nachbarschaftliche fast schon pathologische Kriminalitätsfurcht

Die Kriminalitätsfurcht äußert sich in oben beschriebenen Verhalten. Sie hat starken Einfluss auf die eigene Lebensqualität und ist auch in Europa sehr hoch.

Es existiert ein sog. „Risiko-Furcht Paradoxon“. Obwohl die objektive Unsicherheit, also das Risiko Opfer einer Straftat zu werden in Europa gering ist und in den letzten Jahren stagnierte, stieg die Kriminalitätsfurcht. Das Paradoxon ist also dadurch gekennzeichnet, dass die objektive Unsicherheit nicht der subjektiven Unsicherheit entspricht. Evidenz findet das Paradoxon in Caracas darin, dass in den Barrios, in den armen sozialen Schichten, wo die meisten Morde etc. geschehen, die Kriminalitätsfurcht geringer ist, als außerhalb des Barrios, in der Mittelschicht. Die Frage wie man Kriminalitätsfurcht denn misst, spielt dabei eine große Rolle, möchte ich hier aber ausklammern.

Diese Kriminalitätsfurcht wird aus grob drei unterschiedlichen Perspektiven erklärt:      – sie wird einerseits erhöht durch direkte und indirekte Viktimizierung. Dass man also selbst oder ein Bekannter Opfer einer Gewalttat oder Diebstahls wurde (=Viktimisierungsperspektive).                                                                                              – die Soziale Perspektive auf Mikroebene beleuchtet das nähere Umfeld des Individuums, dass bestimmte Stimuli oder Zeichen in der persönlichen Umwelt die Furcht erhöhen. Das sind z.B. Graffitti an den Wänden oder Müll auf den Straßen, Bettler, und eine anonyme Nachbarschaft. Das was man durch die täglichen ein bis zwei Seiten Todesschlagzeilen in einigen Zeitungen an Gewalt in der Stadt mitbekommt zählt ebenfalls dazu.                                                                                                                – die Soziale Perspektive auf Makroebene erklärt die Kriminalitätsfurcht mit gewaltigeren Argumente, z.B. der Angst vor dem sozialen Abstieg, vor dem Arbeitsplatzverlust, also i.A. so etwas wie Spannungen in der Gesellschaft.

In der weitläufigen Literatur wird natürlich für den integrativen Ansatz dieser drei Perspektiven geworben.

Zum Nachlesen:

miedo-al-crimen-en-caracas

– Hale, C. (1996). Fear of Crime: A Review of the Literature. International Review of, 4(2), 79–150.                                                                                                                          – Farrall, S., Gray, E. & Jackson, J. (2007). Theorising the Fear of Crime: The Cultural and Social Significance of Insecurities about Crime. Working Paper No. 5,. Experience and Expression in the Fear of Crime.                                                                                   – Rebotier, J. (2011). Politicizing fear of crime and insecurity in Caracas The manufacturing of a fearful urban meta-narrative. Emotion, Space and Society, 1–9.

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